Literaturhinweise

 

     Wer Schätze heben will, muss tief graben und im Dreck wühlen.

 

Literatur zur Temperamentenlehre kommt hier nicht vor, da sie den Kern der Sache nur umkreist, wie die Katze den heißen Brei, aber nicht zu ihm vordringen kann, so lange das Thema Sexualität ausgespart bleibt. Auch wenn es an zutreffenden Einschätzungen nicht mangelt, wird doch viel im Trüben gefischt in der Hoffnung, dass ein Kunde anbeißt. Ich stelle hier nur einige sexualwissenschaftliche, erzählerische und pornografische Werke ein, welche ich erhellend fand, und welche mich zu der Überzeugung kommen ließen, dass nur die Sexualität die Temperamente "festnieten", und deren Verhalten erklären kann.

       Betroffenheiten

Marquis de Sade: Justine ou les malheurs de la vertu, Insel Verlag

Seine Fantasien von seelischen und körperlichen Grausamkeiten sind Ausdruck von monothematischer Besessenheit, welche davon Unbetroffene in ihrem Wiederholungszwang anödet.

 

Leopold Ritter von Sacher-Masoch: Venus im Pelz

Für seine Sklavenfantasien willenloser Hörigkeit musste ich die gleiche monothematische Zwanghaftigkeit feststellen, welche mich als von seiner sexuellen Fixierung Unbetroffenen bei der Lektüre ermüden ließ.

 

Jean Genet: Querelle, The Olympia Press

Von dem Buch konnte ich die Erstausgabe in deutscher Sprache erwerben, gedruckt in Frankreich, verboten in Deutschland. Als schwuler Stricher und Dieb hegte Genet eine stille Sehnsucht nach dem Knast, der seine Fantasien beflügelte, und wo er seine besten Romane schrieb. Sie spielen in kriminellen Kreisen („Notre dame des fleurs“) und im Hafenmilieu. In seinem Roman „Die Soldaten“ machte er als erster in der bleiernen Adenauer-Ära mir das Phänomen A. Hitler verständlich, in dem er seinen Protagonisten seine Fantasien schildern ließ, von H. anal vergewaltigt zu werden. Was mich am meisten wunderte: Nie floss ein Wort des Hasses in seine Zeilen, er war immer voller Verehrung. Aber was er verehrte, war die Provokation der Umkehrung aller Werte, und damit der Skandal. Seine hauptsächlichen Förderer Jean Cocteau und André Gide bedrängten ihn angesichts seiner Latte an Vorstrafen, seine kriminellen Aktivitäten einzuschränken, um nicht während der deutschen Besatzung in ein KZ abtransportiert zu werden. Jean-Paul Sartre, dem er nach dem Krieg begegnete, gab ihm den Titel „Saint Genet, Komödiant und Märtyrer“, und sorgte mit seiner Patronage, dass eine lebenslange Freiheitsstrafe ihm erspart blieb.

 

Terence Sellers: Der korrekte Sadismus, ikoo

Ich erwähnte sie bereits im Text als einfühlsame literarisch gebildete professionelle Sadistin, deren Kundenkreis in New York aus der höchsten gesellschaftlichen Schichten stammte. In Folge einer seelischen Krise, als Kunden von ihr ans Kreuz genagelt werden wollten, gab sie diesen Beruf auf, und widmete sich in dem Erzählband Begierde der Gefühlswelt einer Masochistin. Ihre vormals knallharte Diktion verwandelte sich dabei in eine verquaste Hymnik der Todessehnsucht.

 

Anonyma: Liebe und Hiebe im Mädchenpensionat, Orion

Minutiöse Schilderungen der sexuellen Fantasien einer Flagellantin fixiert auf das nackte Gesäß ihre Zöglinge. Die Autorin offenbart in exhibitionistischer Ausführlichkeit ihre intimsten Seelenregungen und Gelüste bei den Bestrafungsritualen. Ihr seelischer Striptease unter dem Schutz der Anonymität ist vor allem in den ersten Kapiteln bemerkenswert. Die Befindlichkeiten der Opfer ihres Vollzugs bleiben außen vor, mit Ausnahme ihre Schmerzensschreie. Das Ergebnis ihrer Erziehung: Alle Mädchen sind gehorsam und wohl geraten. In ihrer monomatischen Besessenheit ist die Autorin nur mit De Sade zu vergleichen. Der schwülstige Stil und Wiederholungszwang wirkt über fast 400 Seiten ermüdend. Die Anonymität macht ihre Gefühlswelt authentisch.

 

Maria Piontek (Pseudonym): Mißbraucht / Meine verratene Kindheit, Eichborn

Eine Musikerin schildert ihre Kindheit in einer gesellschaftlich angesehenen Horrorfamilie: Außen hui, innen pfui. „Dem Vater – er engagiert sich u.a. als FDJ-Chorleiter – gelingt es während der gesamten Zeit, gegenüber der Umwelt die Fassade bürgerlicher Normalität aufrecht zu erhalten.“

 

Inci Y.: Erstickt an euren Lügen, Piper

Die Autorin gibt erschütternde Einblicke in das patriarchalische Familienleben von Befehl und Gehorsam in der Türkei und in der Parallelgesellschaft in Deutschland, religiös zementiert. Die alltäglichen Prügel befördern die Lieblosigkeit, die Lügenkultur und den Hass, der für die Kriegführung unabdingbar ist.

 

Jaqueline *** : Ich peitsche dich, ich küsse dich / Lebensbeichte einer Domina Heyne

Die Autobiographie einer intellektuellen Erotomanin in den USA“

 

Dr. Ernst Schertel: Fetisch und Fantasie, Eros Publishing

Sammlung ausgefallener Fetischismen und Praktiken, von den Betroffenen selbst geschildert.

 

Christoph Brandhurst: Extrem! Schwarzkopf

Frauen, Männer und Paare erzählen von der Lust an ihrer Leidenschaft“.

 

Quentin Crisp: Crisperanto, Ammann

Autobiografie eines transvestitischen Exhibitionisten, der ein Leben als Exzentriker führte. Er gesteht seine Leidenschaft für das Kokettieren. Die Koketterie scheint mir ein Wesensmerkmal des delirierenden Konsumismus zu sein.

 

Pornografisches

 

Eric Knoll (Herausg.): The Art of Eric Stanton, Taschen Verlag

Stanton war einer der herausragenden Cartoonisten und Illustratoren der pornografischen sadomasochistischen Szene. Er ließ kaum etwas aus.

 

John Willie: Bizarre, Taschen Verlag

Willie war der Herausgeber und Autor der o.g. Zeitschrift. Er feierte dort in der Nachkriegszeit seine persönlichen Fixierungen vor allem in dessen fetischistischen Zügen: Ponyfantasien, Figure-training, Korsettzwang, High-heels, modische Strangulationen in Vergangenheit und Gegenwart, alles wonnig verkitscht dargestellt. Für mich waren vor allem die Leserbriefe mit und ohne Fotos von Interesse, die unverblümt die sexuellen Praktiken und Modeaccessoires des amerikanischen Mittelstands zeigten.

 

Tomi Ungerer: Fornicon, Diogenes

Satirische Zeichnungen ungewöhnlicher fetischistischer Praktiken, Sex mit Masturbatoren

 

Wissenschaftliche Schilderungen und Befunde

 

Richard von Krafft-Ebing: Psychopathia sexualis, Matthes & Seitz Verlag

Ein Jahrhundert nach de Sade hat K.-E. seine Phänomenologie der sexuellen Perversionen veröffentlicht. Er schilderte u. a. seine Erfahrungen in der Psychiatrie, Irren-Heilanstalten und in seiner Privatklinik in Mariagrün. Seine Beurteilungen und Einordnungen, vor allem solche der forensischen Psychiatrie, gelten heute vielfach als überholt und teilweise fehlerhaft. Ein Kritikpunkt sind seine moralischen Wertungen. Auch seine Fiktion der Trennung von Normalität und Perversion kann ich nicht nachvollziehen. Für mich waren und sind seine kleingedruckten Fallschilderungen der Patienten von Interesse, die sich bei ihm einfanden, oder an ihn zur Begutachtung überwiesen wurden.

 

Magnus Hirschfeld: Geschlechtskunde, 2 Bd. Verlagsbuchhandlung Stuttgart

Als leitender Arzt des Instituts für Sexualwissenschaft behandelte er nicht nur die sexuellen Phänomene, sondern auch die sozialen und politischen Implikationen.

 

Magnus Hirschfeld: Geschlechtsverirrungen, Carl Stephenson Verlag

Sachliche Übersicht mit Fallbeschreibungen

 

Roland Villeneuve: Grausamkeit und Sexualität, Rixdorfer Verlagsanstalt

Sadistisch-flagellantische, pathologische, gesellschaftlich-machtpolitische und religiöse Hintergründe der Leibes- und Todes-strafen, Hinrichtungsarten, Martern und Qualen bis in die Gegenwart in Wort und Bild“. Schwer zu ertragen!

 

Georg Friedrich Kollas: Der Flagellantismus im Altertum, Leipzig 1932

Man kann sich heute kaum übertriebene Vorstellungen machen über das Ausmaß öffentlicher und häuslicher Gewalt. Kollas schildert die Verhältnisse minutiös. Ein Volk, das bei dem kriegerischen Gemetzel nicht mithalten konnte, war zum Tod oder zur Sklaverei verdammt. Somit war der Flagellantismus, der von keinem Philosophen in Frage gestellt wurde, schon bei der Kindererziehung universell, geradezu ein Selektionsfaktor, und Voraussetzung der physischen Sklaverei. Im Zeitalter der psychischen Sklavenhaltung sind Metzelfantasien untauglich und schädlich. Die Kriegführung am Bildschirm mit Joystick und Button erfordert andere Qualitäten.

 

Clellan S. Ford, Frank A. Beach: Formen der Sexualität, Rowohlt

Das Sexualverhalten bei Mensch und Tier“

 

Roy D. Eskapa: Die dunkle Seite der Sexualität, Heyne

Ein Kinsey-Report von unten“

 

Dr. Walter Braun: Sadismus, Masochismus, Flagellantismus, Orion

Ausführliche Darstellungen

 

Adolf Holl: Im Keller des Heiligtums, Kreuz Verlag

Geschlecht und Gewalt in der Religion“

 

Paul Ricoeur: Sexualität / Wunder – Abwege – Rätsel Fischer Bücherei

Eine Forschungsreise durch das Labyrinth der Sexualität und ihrer Randgebiete

 

Elias Canetti: Masse und Macht, Fischer

Hervorragende Analyse von Massenbewegungen nach ihrem tragenden Impuls, ihr Entstehen und Vergehen

 

John Gregory Bourke: Das Buch des Unrats, Eichborn Verlag

Zu diesem Buch schrieb Sigmund Freud ein Geleitwort. Bourke gilt als Begründer der Koprologie. Wessen Urin ich trinken kann, mit dem komme ich auch langfristig klar. Seine Schilderungen sind nach Völkerschaften geordnet.

 

Hans Peter Dürr: Nacktheit und Scham, Der Mythos vom Zivilisationsprozess, Suhrkamp

Dürr bestreitet, dass die Zivilisation auf sexueller Ebene eine Höherentwicklung gegenüber den „primitiven“ Völkern darstellt.

 

Gustav Roskoff: Die Geschichte des TeufelsParkland

Umfangreiches Werk, von einem Theologieprofessor recht dröge geschrieben. Alle sogenannten monotheistische Religionen sind in Wirklichkeit dualistisch.

 

Gerald Messadié: Teufel Satan Luzifer, Universalgeschichte des Bösen, Komet

Die beste Darstellung der Fiktionen, welche unser Verhältnis zu unseren Artgenossen bestimmen. Der Teufel ist der Antipode aller monotheistischer Gottheiten. Das Buch entstand auch aus persönlicher Betroffenheit bei seiner Erziehung, die er in dem Vorwort schildert.

Zitat aus dem Vorwort: Wohl oder übel nehmen wir Teil an einem unablässigen, verkappten Krieg gegen das Böse, der einen grenzenlosen Fanatismus schürt. Schon allein die unablässige Gegenüberstellung von Gut und Böse versetzt das Bewußsein in ständige Bereitschaft zu Feindseligkeit und Mißtrauen, zu Intoleranz und Mord. Das Fremde ist immer der Feind, und in dieser Haltung ist am Ende alles fremd. Wir sind also vom Bösen eingekreist, und wir blenden alle Zwischentöne aus.

 

Otto von Corvin: Pfaffenspiegel, A. Bock Verlag

Kompendium der Täuschungen und der Niedertracht; Heilige als Borderline-Masochisten

 

Ernest Bornemann: Das Patriarchat, Fischer

Ursprung und Zukunft unseres Gesellschaftssystems“

Bemerkenswert ist die Gliederung in „die soziale Basis“, und „der sexuelle Überbau“.

 

James L. Gould und Carol Grant Gould: Partnerwahl im Tierreich, Sexualität als Evolutionsfaktor, Spektrum der Wissenschaft

 

Jane Goodall: Wilde Schimpansen, Rowohlt

Einfühlsame Beobachtungen der verwickelten Sozialstrukturen, Hierarchien, wechselnden Partnerschaften und Allianzen.  Charaktereigenschaften einzelner Mitglieder lassen sich unschwer Temperamenten wie bei den Menschen zuordnen.

 

 

Nachschlagewerke

 

David Burnie (Herausgeber): Tiere / Die große Bild-Enzyklopädie mit über 2000 Arten, Dorling Kindersley

Kurze Beschreibungen der Arten und der Formen ihrer Vergesellschaftungen

 

W. Lange-Eichbaum / W. Kurth: Genie, Irrsinn und Ruhm, 6. Auflage, Komet-Verlag

Pathographien bedeutender Kulturträger, psychologische und soziologische Voraussetzungen des Ruhms, hochbegabte Psychopathen

 

Paul Frischauer: Weltgeschichte der Erotik, 3 Bd. Knaur

Historische Übersicht der sexuellen Sitten und Praktiken

 

Ludwig Knoll: Kulturgeschichte der Erotik, 10 Bd. Moewig

Alphabetisches Nachschlagewerk in luxuriöser Aufmachung

 

Eduard Fuchs: Illustrierte Sittengeschichte vom Mittelalter bis zur Gegenwart, 3 Bd. Wohlthat´s Versand

 

Brenda Love: Enzyklopädie der ungewöhnlichsten Sexpraktiken, 2 Bd. Orion Verlag

Die vorgestellten Praktiken werden nicht zur Nachahmung empfohlen.

 

Ernest Bornemann: Lexikon der Liebe, Hannibal

 

Hans Licht: Sittengeschichte Griechenlands, R.Löwit

Thematische Gliederung, Standardwerk

 

James L. Gould und Carol Grant Gould: Partnerwahl im Tierreich / Sexualität als Evolutionsfaktor, Spektrum

Beschreibung der Sexualität und Partnerwahl von Einzellern, nichtsozialen und sozialen Arten im Pflanzen- und Tierreich.

 

Neil A. Campbell / Jane B. Reece: Biologie, Spektrum Lehrbuch / Gustav Fischer

Ausführliche Beschreibung aller Lebensbereiche